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Toscana

Die Toscana jenseits der Touristenzentren

Toscana
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Toscana. Seit langem klingt uns dieser zauberhafte Namen in den Ohren, Inbegriff einer Region voller Sehenswürdigkeiten und Kunstschätze, Land der Zypressenalleen, der Oliven- und Weinhügel und schmackhafter Köstlichkeiten wie des toscanischen Weins. Wir machten uns auf und entdeckten abseits der Touristenzentren nicht nur eine faszinierende Toscana voll Ursprünglichkeit und landschaftlicher Gegensätze, sondern auch ein Traumland für Motorradfahrer.
Nach unserer Anreise landen wir an den Sandstränden des Tyrrhenischen Meeres und erleben sogleich unser erstes Highlight: Hinter dem italienischen Badeparadies, wo sich ein Strandkorb an den anderen reiht, türmt sich ein tolles Panorama steiler Berge auf, der Marmorbrüche von Carrara. Wie frisch gefallender Schnee leuchtet aus der Ferne das edle Material, das hier seit mehr als 2500 Jahren abgebaut wird. Über endlose Kurven fahren wir hoch zu den Steinbrüchen, vorbei an Villen und Gärten mit blühender Vegetation geht es bergauf, links und rechts der Straße breiten sich schwindelerregende Untiefen aus, vor uns ein atemberaubender Blick auf Küstengebiet und Meer. In Cave di Colonnata ist man dann mitten drin in den Marmorbrüchen. Geschäftig geht es zu und Vorsicht ist geboten, vor allem wenn die marmortransportierenden Lastwägen rasant um die Kurve fegen. Noch einige Kilometer weiter schraubt sich dann die Straße den Berg hinauf. Die Fahrbahnbreite schrumpft beträchtlich zusammen und nach mehreren engen Spitzkehren erreicht man das Dorf Colonnata. Ein kleines Ristorante am Rande der Piazza lädt zu einer Erfrischungspause ein, wo man den wunderbaren "Lardo di Colonnata", kleine mit verschiedenen Köstlichkeiten belegte Panini, probieren kann. Die Marmorberge von Carrara sind Teil der Alpi Apuane, der entlang des Tyrrhenischen Meeres und bis zu 2000 m hoch sich erhebenden Bergketten. Von Massa aus nehmen wir eine Paßstraße über den Gebirgszug, die uns nochmals direkt ins Herz der Marmorbrüche bringt. Auch hier wieder eine Auffahrt mit endlos vielen Kurven und gigantischen Ausblicken auf die weissen Felsen. Am höchsten Punkt der Paßstraße durchquert ein mehrere hundert Meter langer Tunnel den Fels und auf der anderen Seite führt die Straße auf nicht weniger schönen Kurven in gemäßigteres Gebiet, durch das laubbeschattete Tal des Turrite Secca nach Castelnuovo di Garfagnana. Die Garfagnana ist ein Stück Toscana, das nicht unbedingt "typisch" zu bezeichnen ist, aber mit seinen Baum bestandenen Berghängen, Felsen und Canyons von großem landschaftlichem Reiz ist. Das tiefe Tal des Serchio bildet das Zentrum der Garfagnana. In Barga, einem malerischen Ort, der wie ein Aussichtsbalkon über dem Tal hängt, nutzen wir eine kurze Pause, schlendern durch die schmalen Gassen von gerade mal einer Autobreite - Kratzspuren an den Hauskanten zeugen von den Rangiermanövern so mancher Autofahrer - und tauchen immer wieder auf an Arkaden gesäumten Plätzen mit lauschigen Cafés. Unweit von Barga befindet sich Bagni di Lucca, ein im 19. Jahrhundert wegen seiner schwefel- und eisenhaltigen Quellen von der damaligen High Society gern besuchter Kurort - heute wirkt er leider etwas angestaubt. Aus seiner Glanzzeit sind einige Kurbauten erhalten und die nahegelegene Ponte delle Catene, eine Kettenbrücke, die der berühmten Brooklyn-Bridge in New York zum Vorbild gedient haben soll. Auch sollte man die mittelalterliche Ponte del Diavolo bewundern, die im Volksmund so genannte Teufelsbrücke, die in einem steilen Katzenbuckel den Serchio überspannt.

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Etwas weiter südlich nutzen wir die Gelegenheit eine kleine, kaum befahrene Straße im Tal der Pedogna unter unsere Räder zu nehmen. Ruhige, fast menschenleere Bergdörfer säumen unseren Weg. Die Fahrt durch das schattige Tal gestaltet sich friedlich, doch dann tun sich Abbrüche im Asphalt auf, der schließlich in Schotter- und Sandpassagen übergeht. Schilder kündigen an, dass die Straße wegen Bauarbeiten komplett gesperrt ist und schon stehen wir vor der Baustelle. Für ein vierrädriges Fahrzeug wäre dieser Bauabschnitt nicht zu befahren, aber die netten Bauarbeiter winken uns bei unserer Ankunft näher, fahren ihre Baufahrzeuge etwas zur Seite und lassen uns freundlich passieren.
Die Region südlich der Alpi Apuane bei Lucca wird immer flacher und verkehrsträchtiger und so beschließen wir auf schneller Route vorbei an Pistoia, Prato und Florenz Richtung Süden zu fahren. Doch schon bald nach Florenz wird die Landschaft wieder abwechslungsreicher, sanft gewellte Hügelketten tauchen auf. Nun sind wir im "Herzen der Toscana", im Chianti, dieser alten Kulturlandschaft mit ihrer unvergleichlichen Atmosphäre, wo Natur und Kultur stets miteinander harmonieren.
Wohl wissend um die Schlangen von Touristen, die tagaus tagein San Gimignano bevölkern, wollen wir dennoch dieses Städtchen in Augenschein nehmen, das etwas Besonderes darstellt, da aufgrund einer Pestepidemie 1348 das mittelalterliche Stadtbild bewahrt werden konnte. Fährt man auf San Gimignano zu, so sieht man schon von weitem die spektakuläre Skyline der Geschlechtertürme, mit deren Bau sich die hier ansässigen Familien zu übertrumpfen suchten. Dann schraubt sich die Straße in mehreren Kurven den Berg hinauf. Vor den Toren der Stadt gelingt es uns Parkplätze zu finden, wir machen uns auf den Weg, um San Gimignano zu Fuß zu erkunden und wir haben Glück: Zwar schieben sich so einige Touristen durch die engen Gassen, aber heute, am Donnerstag findet Markttag statt. Allerhand nützliche Dinge verkaufen die fahrenden Händler und so kommen wir neben der Besichtigung des Ortes auch in den Genuss einer alltäglichen Atmosphäre.

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Von San Gimignano aus geht es dann Richtung Osten, ins klassische Chianti. Über Poggibonsi nach Radda führt eine traumhaft kurvenreiche Straße. Ein Paradies für Motorradfahrer, wo sich Spitzkehre an Spitzkehre reiht, wo die Straße einen Hügel nach dem anderen erklimmt. Die Begeisterung lässt sich auch an der gestiegenen Zahl der Motorradfahrer messen - vor allem italienische Supersportler jagen hier die Berge rauf und runter. Wir setzen unseren Weg fort bis Radda. Auf den Hügelkuppen thronen immer wieder mauerbewehrte Ortschaften und trutzige Kastelle und uns bieten sich atemberaubende Ausblicke auf die Umgebung mit den Wein- und Olivenfeldern und Zypressenalleen.
Auf unserem weiteren Weg in die Südtoscana hat der Verkehr erfreulicherweise stark nachgelassen. Wir sind fast alleine unterwegs und so setzen wir genießerisch unsere Fahrt auf den verwinkelten Landstraßen fort. Kurz vor Pienza folgen wir einem unscheinbaren Straßenschild, das uns nach S. Anna weist. Eine staubige Schotterpiste führt in mehreren Windungen den Berg hinauf und mündet unvermittelt in eine gepflegte Zypressenallee. Etwa 300m weiter stehen wir dann vor dem mächtigen, abweisenden Portal einer mittelalterlichen Abtei, der Abbadia Sant´Anna in Camprena, einem Olivetanerkloster, das 1996 der breiten Öffentlichkeit vor Augen geführt worden ist in dem Film "Der englische Patient", dem S. Anna für wichtige Szenen als Kulisse diente.

ToscanaNur wenige Kilometer sind es noch nach Pienza, wo wir uns einen Aufenthalt gönnen möchten. Diese Mitte des 15. Jahrhunderts als Idealstadt der Renaissance entworfene und innerhalb weniger Jahre erbaute Stadt besticht durch den perspektivisch angelegten Corso Rossellino und die Piazza Pio II., die wie ein perfekt konstruiertes Bühnenbild das Zentrum bildet. Direkt daneben finden wir ein schmuckes Hotel, das im ehemaligen Franziskanerkloster untergebracht ist. Mit etwas Mühe rangieren wir unsere Motorräder in den engen Klosterhof, ernten dafür aber Begeisterung vom sympathischen Hotelpersonal. Am Abend lässt es sich gut durch den Ort schlendern. In den Feinkostläden werden leckerer Pecorino, Olivenöle und Kräuter angeboten und so manche Trattoria lädt ein, die hervorragende toscanische Küche zu kosten.
Von den Terrassen von Pienza hat man ein grandioses Panorama auf die Südtoscana bis zum Monte Amiata. Dorthin zieht es uns am nächsten Tag durch eine bezaubernde Hügellandschaft auf schmalen, kurvenreichen Straßen mit bemerkenswert wenig Verkehr. Vor der Silhouette des Monte Amiata bewegen wir uns dann in einem ehemals vulkanischen Gebiet mit heissen, schwefelhaltigen Thermalquellen und besichtigen den Thermalort Bagno Vignoni, wo anstatt einer Piazza ein dampfendes Wasserbecken den Kern des attraktiven Ortes bildet, in dem schon Etrusker und Römer ihre heilsamen Bäder nahmen. Als nächstes streben wir Montalcino an. Das auf einem Hügel thronende, von trutzigen Mauern bewehrte Winzerstädtchen ist Ursprungsort des berühmten "Brunello". Die 1888 eingerichtete Weinhandlung "Fiaschetteria del Brunello" gilt als Keimzelle dieses großartigen Rotweins.
Am nächsten Tag geht es wieder Richtung Norden. Nochmals genießen wir die einsamen Landstraßen der Südtoscana und erreichen dann flugs die nun rauher werdende, aber nicht weniger attraktive Bergwelt des Pratomagno. An dessen steil abfallender Südflanke liegt auf einem Felsvorsprung das imposante Bergnest Loro Ciuffenna mit einer spektakulär gebauten romanischen Brücke, die über den Sturzbach Ciuffenna führt. An den Nordhängen des Pratomagno dagegen breiten sich dichte Waldgebiete aus. Eine etwas holperige und recht kurvenreiche Straße führt durch das Naturreservat Vallombrosa rund um den Luftkurort Saltino. Unweit von Vallombrosa kommen wir zum Passo della Consuma, einer nördlich des Pratomagno entlangführenden Paßstraße. Auf großartigen, gleichmäßigen Kurven mit beachtlichen Ausblicken fahren wir hinab ins Arnotal im Casentino. Dieses sehr abwechslungsreiche Gebiet mit kleinen ursprünglichen Dörfern ist vom Toscana-Tourismus bisher weitgehend unbeachtet geblieben ist. Hier in den Hängen des Monte Falterona entspringt der Arno. An dessen Ufer liegt Poppi, eine weithin sichtbare Ortschaft in stolzer Hügellage. Ein wunderschöner Ort, wie sich während eines kleinen Spaziergangs zeigt. Hat man den Ortskern erst einmal über die steile kopfsteingepflasterte Auffahrt erreicht, so kann man durch die schattigen Portici entlang der Hauptstraße flanieren und das mächtige, reich verzierte Kastell besichtigen.

ToscanaDem Lauf des Arno folgend führt uns die Straße weiter Richtung Norden über den Válico Croce a Mori, durch eine laubbewaldete Landschaft mit beachtlichen Erhebungen und steil abfallenden Hängen zu unserer letzten Station in der Toscana, der Region Mugello. Das Land der Medici-Villen ist ein gleichermaßen herber wie anmutiger Landstrich, aus dem die Vorfahren der in Florenz residierenden Medici und nicht wenige namhafte toscanische Künstler stammen. Allerorts begegnen uns gepflegte Gutshöfe, Villen inmitten blühender Anwesen. In dem alten Städtchen Scarperia sehen wir uns um. Seit 1974 macht es Schlagzeilen durch den 5 km langen "Autodromo Internazionale del Mugello", wo Formel 1- und Motorradrennen ausgetragen werden und Ferrari seine Testfahrten unternimmt. Das Gelände ist streng bewacht, aber auf den umliegenden Hügeln findet man immer wieder Plätze, von denen aus die Rennstrecke einsehbar ist. Scarperia ist zudem seit dem Mittelalter ein wichtiger Stützpunkt an der alten Handelsstraße von Florenz Richtung Norden und so ist es auch nicht mehr weit von hier zum Passo della Futa kurz vor der Grenze zur Emilia Romagna, von dem aus man nochmals einen letzten grandiosen Ausblick über die Toscana genießen kann.